Bauen ohne Bürokratie? Neues Gesetz soll Turbo zünden – doch Experten warnen vor Risiken

Am Donnerstag soll im Landtag das „Gesetz für das schnelle Bauen“ verabschiedet werden. Die Landesregierung will damit den Wohnungsbau beschleunigen und Bauherren entlasten. Landesbauministerin Nicole Razavi (CDU) setzt auf weniger Kontrolle und mehr Eigenverantwortung. Doch das Gesetz hat nicht nur Fans – Experten befürchten neue Probleme und Haftungsrisiken.

Schnellere Genehmigungen – ein echter Fortschritt?

Eines der Kernstücke des Gesetzes ist die sogenannte Genehmigungsfiktion. Das bedeutet: Wenn die Behörde innerhalb von drei Monaten nicht auf einen Bauantrag reagiert, gilt er automatisch als genehmigt. Klingt nach einer Revolution – doch es gibt Haken.

Verantwortlich für die Einhaltung aller Bauvorschriften sind die Bauherren selbst. Fehlerhafte Anträge könnten erst nach Baubeginn auffallen – mit teuren Konsequenzen. Zudem warnen Immobilienexperten davor, dass Banken sich weigern könnten, solche Bauprojekte zu finanzieren, weil ihnen eine offizielle Prüfung fehlt.

Weniger Einspruchsmöglichkeiten für Nachbarn

Um Prozesse weiter zu beschleunigen, wird auch die Nachbarschaftsbeteiligung verkürzt – von vier auf zwei Wochen. Zudem werden Widersprüche gegen Baugenehmigungen bei den Regierungspräsidien abgeschafft. Das soll jahrelange Verzögerungen durch Einsprüche verhindern, könnte aber zu mehr Klagen vor Verwaltungsgerichten führen.

Die SPD schlägt deshalb ein Modell nach bayerischem Vorbild vor: Bauherren sollen das Einverständnis ihrer Nachbarn bereits vor der Antragstellung einholen. Bauverbandschef Thomas Möller bringt es pragmatisch auf den Punkt: „Man könnte sich auch einfach mal mit einer guten Flasche Wein zusammensetzen und das Projekt besprechen.“

Umbauten werden einfacher – weniger Brandschutz-Vorschriften

Wer ein bestehendes Gebäude umbauen will, darf sich freuen: Mehr Maßnahmen werden künftig verfahrensfrei, darunter Wand- oder Dachöffnungen und der Ausbau von Dachgeschossen. Auch Ladesäulen für Elektroautos dürfen ohne langwierige Genehmigung errichtet werden.

Ein weiterer Punkt: Bei Umbauten gelten keine strengeren Brandschutzvorgaben als für den bestehenden Bau. Das spart Kosten, birgt aber auch Sicherheitsrisiken.

Haftungsfalle für Bauherren?

Eine der umstrittensten Änderungen betrifft die Ausweitung der „kleinen Bauvorlagenberechtigung“. Das bedeutet, dass künftig auch Planer Bauanträge einreichen dürfen, die keine Architekten sind und keine Pflicht zur Berufshaftpflichtversicherung haben.

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg schlägt Alarm: „Im Schadensfall bleibt der Bauherr auf den Kosten sitzen – das kann existenzbedrohend sein.“ Auch Architekten- und Ingenieurkammern sehen hier eine gefährliche Lücke.

Spielplätze gegen Geld – Kommunen profitieren

Bislang waren Bauherren verpflichtet, zu ihren Wohnanlagen Spielplätze zu bauen. Doch oft blieben diese ungenutzt und verwahrlost. Nun können sie sich stattdessen freikaufen. Die Kommunen erhalten das Geld und sollen damit größere, attraktivere Spielplätze bauen.

Ein anderer wichtiger Punkt wurde allerdings nicht umgesetzt: Die geplante Reform der Stellplatzverordnung. Dabei fordern sowohl Bauträger als auch Mieterbund, dass Kommunen selbst entscheiden dürfen, wie viele Parkplätze für Neubauten nötig sind.

Schnellere Genehmigungen, aber mehr Risiken

Das neue Baugesetz soll Bauen erleichtern – doch es bleibt umstritten. Während Befürworter auf weniger Bürokratie und schnellere Prozesse setzen, warnen Kritiker vor Haftungsrisiken, Klagewellen und neuen Sicherheitslücken.

Ob das Gesetz wirklich den Bau-Boom auslöst oder neue Probleme schafft, wird sich ab dem 1. Juli zeigen – dann soll es in Kraft treten.