Früher eine Ausnahme, heute wieder gefragt: Auslandsaufenthalte während der handwerklichen Ausbildung erleben ein bemerkenswertes Comeback. Junge Menschen im Handwerk entdecken die Welt – und bringen neben fachlichen Erfahrungen auch interkulturelle Kompetenzen mit nach Hause. Für Betriebe wie Auszubildende eröffnen sich dadurch neue Perspektiven.
Berufliche Mobilität im Aufwind
Was in der Industrie und bei Akademikern seit Langem selbstverständlich ist, wird auch im Handwerk immer beliebter: ein temporärer Job oder ein Praktikum im Ausland. Dabei profitieren nicht nur große Betriebe mit internationalen Kontakten – auch kleine und mittelständische Unternehmen erkennen zunehmend den Mehrwert solcher Erfahrungen für ihre Azubis.
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Laut Zentralstelle für das Auslandshandwerk (ZWH) ist das Interesse an Mobilitätsprogrammen wie Erasmus+ oder dem Handwerk International-Programm so hoch wie seit Jahren nicht mehr. Nach der pandemiebedingten Pause zieht die Nachfrage deutlich an.
Was Auslandsaufenthalte im Handwerk bringen
Ein Einsatz im Ausland erweitert nicht nur den fachlichen Horizont – er fördert vor allem Schlüsselkompetenzen, die im modernen Handwerk gefragt sind. Dazu zählen:
- Selbstständigkeit und Eigenverantwortung
- Interkulturelle Kompetenz und Sprachkenntnisse
- Flexibilität im Umgang mit neuen Situationen
- Motivationsschub durch neue Eindrücke
Gleichzeitig berichten viele Teilnehmer, dass sich ihr Selbstbewusstsein spürbar gestärkt hat – nicht zuletzt, weil sie sich in einer neuen Umgebung bewähren mussten.
Dauer, Ziele und Organisation
Die meisten Auslandsaufenthalte im Handwerk dauern zwischen zwei Wochen und drei Monaten. Beliebte Ziele sind:
Land | Beliebte Berufe im Austausch |
---|---|
Frankreich | Friseure, Maler, Metallbauer |
Spanien | Tischler, Elektroniker, Kfz-Mechatroniker |
Irland und UK | Anlagenmechaniker, IT-Systemelektroniker |
Skandinavien | Zimmerer, SHK-Techniker |
Die Organisation erfolgt in der Regel über Bildungsträger, Kammern oder Innungen – häufig in Kooperation mit der ZWH oder den Förderstrukturen von Erasmus+.
Fördermöglichkeiten: Kein Risiko, viel Gewinn
Ein häufiger Irrtum: Viele Betriebe glauben, ein Auslandsaufenthalt sei organisatorisch kompliziert oder teuer. Tatsächlich gibt es umfassende Förderprogramme, die Reisekosten, Unterbringung und sogar Verpflegung bezuschussen oder vollständig übernehmen.
Wichtige Anlaufstellen sind:
- Zentralstelle für das Auslandshandwerk (ZWH)
- Nationalagentur Bildung für Europa beim BIBB
- Handwerkskammern vor Ort
- Erasmus+ Ansprechpartner an Berufsschulen
Ein weiterer Vorteil: Auch Ausbildende profitieren indirekt – durch motiviertere Azubis, neue Impulse und ein positives Image als zukunftsorientierter Ausbildungsbetrieb.
So gelingt der Schritt ins Ausland
Wer als Azubi oder Betrieb einen Auslandsaufenthalt plant, sollte einige Punkte beachten:
- Frühzeitig planen: Mindestens 6 Monate Vorlauf sind ideal.
- Betrieb einbeziehen: Der Aufenthalt muss mit dem Ausbildungsplan abgestimmt werden.
- Partnerbetrieb finden: Hier helfen Kammern, Netzwerke oder Plattformen wie „Go Europe“.
- Erfahrungen dokumentieren: Ein europäischer Mobilitätsnachweis kann später im Lebenslauf punkten.
Vom Tischler in Bordeaux bis zur Friseurin in Helsinki
Beispiele erfolgreicher Aufenthalte zeigen, wie vielfältig die Möglichkeiten sind. Eine angehende Tischlerin aus Bayern berichtet von neuen Techniken im Möbelbau in Frankreich, ein SHK-Azubi aus Köln lernte in Finnland nachhaltige Heizsysteme kennen. Die Rückmeldungen sind fast durchweg positiv – auch von Betrieben, die ihre Azubis gern wieder „ziehen lassen“.
Wer heute ins Ausland geht, bringt morgen mehr zurück: Fachlich, menschlich und kulturell. Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel und wachsender Internationalisierung des Handwerks sind solche Erfahrungen ein echter Gewinn – für alle Beteiligten.