Überstunden im Handwerk: Was Betriebe und Beschäftigte wissen müssen


Wenn im Handwerk der Termindruck steigt oder krankheitsbedingt Kollegen ausfallen, sind Überstunden oft unvermeidlich. Doch so flexibel Handwerksbetriebe sein müssen – rechtlich ist der Umgang mit Mehrarbeit alles andere als eine Grauzone. Wer auf der sicheren Seite bleiben will, sollte die wichtigsten Regeln kennen – sowohl aus Arbeitgebersicht als auch aus Sicht der Beschäftigten.

Wann gelten Arbeitszeiten als Überstunden?

Überstunden liegen dann vor, wenn die vertraglich vereinbarte oder gesetzlich zulässige Arbeitszeit überschritten wird. Im Handwerk ist das meist dann der Fall, wenn die reguläre Wochenarbeitszeit von 40 Stunden überschritten wird – oder bei Teilzeitkräften die individuell festgelegte Stundenzahl. Entscheidend ist, ob eine Überschreitung über das normale Maß hinausgeht und der Betrieb diese zusätzlich vergütet oder durch Freizeit ausgleicht.

Wichtig: Nicht jede geleistete Extrastunde ist automatisch eine Überstunde im rechtlichen Sinne. Voraussetzung ist in der Regel, dass sie vom Arbeitgeber angeordnet oder zumindest stillschweigend geduldet wurde.

Welche Rolle spielt der Arbeitsvertrag?

Wie Überstunden geregelt sind, hängt maßgeblich vom Arbeitsvertrag ab. Dort finden sich oft Klauseln wie:

  • „Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten.“
    Solche Pauschalregelungen sind nur dann wirksam, wenn sie eine nachvollziehbare Begrenzung enthalten – etwa durch eine Maximalanzahl pro Monat.
  • „Überstunden werden durch Freizeitausgleich abgegolten.“
    Das ist rechtlich zulässig, muss aber transparent und fair geregelt sein.

Fehlt im Vertrag eine klare Überstundenregelung, ist eine Vergütung grundsätzlich zu leisten – auch wenn der Chef erwartet, dass bei hohem Arbeitsaufkommen „mal mit angepackt wird“.

Vergütung: Geld oder Freizeit?

Laut § 612 BGB ist Mehrarbeit grundsätzlich zu vergüten, wenn sie nicht durch Freizeit ausgeglichen wird. In der Praxis gilt:

Regelung im BetriebFolge für Arbeitnehmer
Keine ÜberstundenregelungAnspruch auf Bezahlung der geleisteten Überstunden
Freizeitregelung (Zeitkonto)Überstunden werden durch Freizeitausgleich abgegolten
Pauschale Abgeltung im VertragNur rechtens mit konkreter Begrenzung (z. B. max. 10 Std.)

Arbeitgeber müssen lückenlos dokumentieren können, wie viele Überstunden geleistet wurden – und wann. Auch für Beschäftigte ist es ratsam, ein eigenes Stundenerfassungssystem zu führen, um bei Unstimmigkeiten handfeste Nachweise zu haben.

Grenzen der Arbeitszeit: Was erlaubt ist – und was nicht

Auch wenn Flexibilität im Handwerk geschätzt wird: Das Arbeitszeitgesetz setzt klare Obergrenzen.

  • Täglich dürfen maximal 10 Stunden gearbeitet werden, bei einer Regelarbeitszeit von 8 Stunden.
  • Eine Überschreitung auf 10 Stunden ist nur erlaubt, wenn innerhalb von sechs Monaten ein entsprechender Freizeitausgleich erfolgt.
  • Mindestruhezeiten von 11 Stunden zwischen den Arbeitstagen sind einzuhalten.
  • Sonn- und Feiertagsarbeit ist nur in Ausnahmefällen zulässig – etwa bei Notfällen oder dringenden Reparatureinsätzen.

Was gilt bei Minijobbern und Teilzeitkräften?

Auch geringfügig Beschäftigte und Teilzeitkräfte dürfen Überstunden machen – allerdings mit klaren Grenzen:

  • Wer regelmäßig über die vereinbarte Stundenzahl hinaus arbeitet, rutscht schnell in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis.
  • Besonders bei Minijobs (max. 538 Euro/Monat) kann jede zusätzliche Stunde zur Überschreitung der Verdienstgrenze führen – mit Konsequenzen für Steuer und Versicherung.

Tipp für Arbeitgeber: Es empfiehlt sich, für Teilzeit- und Minijob-Kräfte vertraglich festzulegen, wie viele Überstunden im Monat zulässig sind – und wie deren Vergütung aussieht.

Dokumentationspflicht: Pflicht oder Kür?

Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs und der daraus folgenden nationalen Rechtsprechung sind Arbeitgeber verpflichtet, ein objektives, verlässliches und zugängliches Zeiterfassungssystem einzuführen. Für das Handwerk bedeutet das:

  • Auch kleinere Betriebe müssen die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten erfassen.
  • Einfache Systeme wie Excel-Tabellen, Zeiterfassungs-Apps oder Stundenzettel genügen – sofern sie nachvollziehbar geführt werden.
  • Bei Kontrollen durch den Zoll oder die Berufsgenossenschaft kann die Dokumentation zur Pflichtlektüre werden.

Was tun bei Streit über Überstunden?

Kommt es zum Streit über die Bezahlung oder Anerkennung von Überstunden, entscheidet oft die Beweislage. Wer als Arbeitnehmer keine lückenlose Dokumentation vorlegen kann, hat schlechte Karten – es sei denn, der Chef hat die Überstunden klar angeordnet oder regelmäßig abgenickt. Im Streitfall sollte frühzeitig rechtlicher Rat eingeholt werden – etwa bei der Handwerkskammer oder über einen Fachanwalt für Arbeitsrecht.