Jährliche Hauptuntersuchung für Autos? Warum das Kfz-Handwerk warnt


Pläne aus der Europäischen Union sorgen derzeit für Stirnrunzeln in Deutschlands Kfz-Werkstätten. Diskutiert wird eine Reform der EU-Verordnung zur Fahrzeugüberwachung – mit möglicherweise weitreichenden Folgen: Unter anderem steht im Raum, die Hauptuntersuchung (HU) für bestimmte Fahrzeuge künftig jährlich vorzuschreiben. Das deutsche Kfz-Handwerk lehnt diesen Vorstoß entschieden ab – aus gutem Grund.

Warum die jährliche HU aktuell diskutiert wird

Die EU-Kommission prüft im Zuge einer Verordnungsüberarbeitung neue Maßgaben für Fahrzeugkontrollen. Ziel ist es, die Verkehrssicherheit und den Umweltschutz weiter zu verbessern. Dabei im Fokus:

  • Verkürzung der Prüffristen für bestimmte Fahrzeuggruppen, insbesondere für Pkw mit hoher Jahresfahrleistung.
  • Stärkere Einbindung digitaler Fahrzeugdaten, etwa zur automatisierten Erkennung sicherheitsrelevanter Mängel.
  • EU-weite Vereinheitlichung der Prüfverfahren, um unterschiedliche Standards zwischen Mitgliedsstaaten zu harmonisieren.

Kritiker sehen in diesen Ansätzen jedoch mehr Belastung als Nutzen – insbesondere für Autofahrer und kleine Werkstätten.

Das spricht aus Sicht des Handwerks gegen die jährliche HU

Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) hat sich klar positioniert: Eine jährliche Hauptuntersuchung sei weder nötig noch sinnvoll. Die Argumente des Handwerks sind vielfältig:

ArgumentErläuterung
Keine signifikanten SicherheitsgewinneDie Unfallstatistik zeigt: Technische Mängel an Fahrzeugen sind nur in einem sehr kleinen Teil der Fälle die Ursache.
Hoher bürokratischer AufwandEine Verkürzung der Prüffristen bedeutet mehr Papierkram, höhere Kosten und personellen Mehraufwand in den Betrieben.
Belastung für VerbraucherAutobesitzer müssten nicht nur häufiger zur Prüfung, sondern auch tiefer in die Tasche greifen – ohne echten Mehrwert.
Funktionierendes bestehendes SystemIn Deutschland ist die regelmäßige HU alle zwei Jahre fest etabliert – mit hohem Qualitätsniveau.
Zweifel an DatennutzungDie geplante Auswertung digitaler Fahrzeuginformationen wirft Fragen zum Datenschutz und zur praktischen Umsetzbarkeit auf.

Besonders betroffen: Fahrleistungsstarke Fahrzeuge

Ein Fokus der EU-Überlegungen liegt auf Fahrzeugen mit besonders hoher Kilometerleistung. Die Idee dahinter: Wer sein Auto intensiv nutzt, erhöht den Verschleiß – und somit das Sicherheitsrisiko. Doch auch hier warnt das Kfz-Gewerbe vor voreiligen Schlüssen.

Viele Vielfahrer – etwa Pendler oder Flottenbetreiber – achten erfahrungsgemäß besonders auf Wartung und Pflege ihrer Fahrzeuge. Sie sind auf deren einwandfreie Funktion angewiesen. Eine pauschale Verkürzung der HU-Fristen treffe daher gerade diejenigen, die ohnehin regelmäßig in Werkstatt und Service investieren.

Aus Sicht der Werkstätten: Mehr Belastung, weniger Nutzen

Während große Prüfgesellschaften und Automobilclubs in der Debatte eigene Interessen verfolgen, sehen sich freie Kfz-Betriebe zunehmend in die Defensive gedrängt. Besonders kleinere Werkstätten könnten durch neue gesetzliche Vorgaben finanziell und organisatorisch überfordert werden.

Hinzu kommt: Viele moderne Fahrzeuge verfügen über interne Selbstdiagnosesysteme, die sicherheitsrelevante Probleme frühzeitig erkennen. Die klassische HU wird dadurch nicht überflüssig – wohl aber genügt aus Sicht vieler Experten der bislang bewährte Zwei-Jahres-Rhythmus.

Alternativen: Mehr Aufklärung statt mehr Kontrollen

Statt die Prüfintervalle pauschal zu verkürzen, schlägt das Kfz-Handwerk gezielte Informationskampagnen vor. Ziel: Fahrzeughalter für Wartung und Pflege zu sensibilisieren, etwa durch regelmäßige Inspektionen, Reifendruckkontrollen oder Ölwechsel.

Empfohlene Maßnahmen zur freiwilligen Fahrzeugpflege:

  • Jährliche Inspektion nach Herstellervorgabe
  • Sichtprüfung der Bremsanlage alle 6 Monate
  • Reifendruckkontrolle mindestens einmal pro Monat
  • Prüfung von Lichtanlage und Scheibenwischern bei Jahreszeitenwechsel
  • Frühzeitige Reparatur kleiner Mängel

Ein informierter Autofahrer trägt aktiv zur Verkehrssicherheit bei – ganz ohne verpflichtende Zusatztermine.

Augenmaß statt Aktionismus

Die Debatte um die jährliche HU offenbart ein grundsätzliches Spannungsfeld: Verkehrssicherheit und Umweltschutz sind wichtige Ziele – doch sie müssen mit Augenmaß verfolgt werden. Das Kfz-Handwerk appelliert an die Politik, praxistaugliche Lösungen zu entwickeln, die sowohl den technischen Fortschritt als auch die realen Herausforderungen im Alltag der Werkstätten berücksichtigen.

Vor allem aber gilt: Wer Vertrauen in die Kompetenz des Handwerks und die Verantwortung der Autofahrer hat, braucht keine überzogenen Kontrollmaßnahmen. Der bewährte deutsche HU-Rhythmus bleibt ein Garant für sichere Straßen – und sollte es auch bleiben.